Künstlerische Dialektik
„Künstlerische Dialektik“ ist eine künstlerische Methode, die aus der bewussten Gegenüberstellung zweier individueller Perspektiven ein drittes, gemeinsames Werk entstehen lässt. Es handelt sich dabei nicht um Kollaboration im klassischen Sinne, sondern um einen künstlerischen Dialog, in dem Unterschiedlichkeit sichtbar, spürbar und produktiv gemacht wird.
Die Methode basiert auf dem dreiteiligen Prinzip:
Ich – Du – Synthese
Teil I – Ich (These):
Eine künstlerische Arbeit, die ein Thema aus der subjektiven Sicht von Künstler*in A interpretiert. Emotional, sinnlich, poetisch, erfahrungsbezogen.Teil II – Du (Antithese):
Die zweite Arbeit zeigt dasselbe Thema aus der Sicht von Künstler*in B. Anders in Haltung, Form, Stil, Tempo oder Intention – z. B. konzeptionell, strukturiert, rational.Teil III – Synthese (Drittes Werk):
Im dritten Teil werden beide Arbeiten nicht vermischt, sondern in einer bewussten Montage oder Gegenüberstellung in Beziehung gesetzt.
Ziel ist nicht die Auflösung der Gegensätze, sondern das Sichtbarmachen der Differenz – und das Schaffen eines ästhetischen Zwischenraums, in dem neue Bedeutungen entstehen.
Die Methode funktioniert in verschiedenen Medien:
Film / Video: Zwei eigenständige filmische Interpretationen und eine dritte Montage, in der Elemente aus beiden Filmen neu arrangiert oder überlagert werden.
Fotografie: Zwei Bildserien, die im dritten Teil als Collage, Sequenz, Rauminstallation oder kuratierte Gegenüberstellung zusammengeführt werden.
Text / Installation / Performance: Die Methode ist offen für interdisziplinäre Umsetzung, solange die Struktur (Ich – Du – Synthese) erhalten bleibt.
Ziel der Methode
„Künstlerische Dialektik“ möchte nicht Konflikte auflösen, sondern Vielfalt erfahrbar machen, ohne dass dabei eine Seite dominiert. Sie ist ein Versuch, die Komplexität der Welt durch Kunst wahrzunehmen statt zu vereinfachen.
In einer Zeit, in der Polarisierung oft das Verstehen ersetzt, bietet diese Methode eine ästhetische Praxis des Dialogs: ehrlich, subjektiv, offen, ohne Anspruch auf endgültige Wahrheit.
Die Differenz bleibt bestehen – aber sie wird gestaltet.
Das Nebeneinander wird spürbar – aber nicht nivelliert.
Zwischen Nähe und Abstand entsteht Kunst.
Formale Merkmale der Methode:
Die künstlerischen Perspektiven dürfen sich klar widersprechen.
Die Synthese ist keine dritte Arbeit, sondern eine Montage aus den ersten beiden.
Die Beteiligten arbeiten bewusst aus unterschiedlichen Ansätzen heraus (emotional vs. rational, poetisch vs. konzeptuell etc.).
Der Fokus liegt auf ästhetischem Dialog, nicht auf inhaltlicher Einigung.
Warum diese Methode?
„Künstlerische Dialektik“ geht davon aus, dass Wahrheit nicht im Einzelnen, sondern im Dazwischen liegt.
Indem wir die Sichtweisen anderer nicht korrigieren, sondern sichtbar machen, entsteht eine Kunst, die nicht belehrt, sondern befragt.
Eine Kunst, die nicht löst, sondern aushält – und gerade dadurch berührt.